Im Rahmen unserer Serie „Der Erfolgsfaktor Mensch“ haben wir mit Thomas Herrmann gesprochen.
Thomas Herrmann ist CEO der Herrmann Ultraschalltechnik GmbH & Co. KG, dem weltweit führenden Hersteller von Ultraschall-Schweißsystemen. Ultraschallschweißen findet in den unterschiedlichsten Bereichen Anwendung: von Staubsaugerbeuteln, Atemschutzmasken und Windeln über Tetrapacks und Kaffeekapseln bis hin zu elektrischen Zahnbürsten, Auto-Cockpits und Batterien.
Das seit Jahren stark wachsende und ertragsstarke Unternehmen, 1961 von Vater Walter Herrmann gegründet, beschäftigt knapp 600 Mitarbeitende und erzielt einen Jahresumsatz von rund 100 Mio. Euro, hat neben Deutschland Hauptstandorte in China, USA und Japan und ist in 20 Ländern vertreten.
Thomas Herrmann gründete 1990 zunächst die nordamerikanische Tochtergesellschaft Herrmann Ultrasonics, Inc. und etablierte die Marke „Herrmann“ in den USA. 2007 trat er die Nachfolge seines Vaters im HQ in Deutschland an und leitet seitdem als CEO das globale Unternehmen. Seit diesem Generationenwechsel gelang es ihm, gemeinsam mit seinem Team das Unternehmen zum Weltmarktführer weiterzuentwickeln. In den letzten 10 Jahren verdreifachten sich sowohl Umsatz als auch die Anzahl der Standorte sowie die Zahl der Mitarbeitenden.
Diese eindrucksvolle Entwicklung basiert unter anderem auch auf den Veränderungen sowohl in der Führungsstruktur als auch in der Kultur der vergangenen Jahre. So wurden im Rahmen einer „Culture Journey“ hierarchische Organisationsstrukturen durch Führungskreise ersetzt, Werte wurden gemeinsam definiert und werden miteinander gelebt und der Fokus liegt auf einer ganzheitlichen Management-Methodik.
Herr Herrmann, wie geht es Ihnen und Ihrem Unternehmen in Zeiten der Covid-19-Krise?
Wir sind in vielen Branchen unterwegs und spüren Rückgänge zum Beispiel sehr stark im Automobilgeschäft; andere Branchen, wie zum Beispiel zur Herstellung von Gesichtsmasken, für die wir die Ultraschall-Schweißtechnologie liefern, sind gerade groß im Aufwind und gleichen diese Rückgänge aus. Wir müssen nun über den Jahresverlauf beobachten, wie sich die Corona-Krise langfristig auswirken wird.
Zum Schutz unserer Belegschaft hatten wir sehr früh bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen: wer konnte, hat im Home-Office gearbeitet und wir haben 8 Wochen lang eine konsequente Zwei-Gruppen-Strategie gefahren, wobei die Firma in zwei Gruppen aufgeteilt war, die sich nicht begegnen durften und rollierend im Wochenwechsel anwesend waren. So konnten wir die Sicherheitsmaßnahmen gut beachten – und sind bis jetzt zum Glück Corona-frei geblieben.
Seit mehr als 10 Jahren stehen Sie und Ihr Unternehmen für eine einzigartige Erfolgsstory. Was sind die Gründe?
Ich würde sagen, Begeisterung für Technologie und Menschen, harte Arbeit und auch ein Quäntchen Glück. Als zweite Generation durfte ich ein Unternehmen übernehmen, welches als Technologieführer bereits sehr erfolgreich war. Mein Fokus lag auf der Internationalisierung und kurzen Wegen für unsere Kunden weltweit. Dazu haben wir uns das Thema „Kundennutzen“, das meinem Vater schon sehr wichtig war, konkretisiert. Kundennutzen ist heutzutage mehr als innovative Technologie; es ist unser Ziel, die Anwendung des Kunden so gut zu lösen, dass dieser mit unseren Maschinen sorgenfrei und wirtschaftlich produzieren kann. Das nennen wir „Ultrasonic Excitement“.
Was bedeutet der „Erfolgsfaktor Mensch“ für Sie als Unternehmer?
Der Mensch ist das Allerwichtigste. Ohne ihn geht nichts! Wir möchten ein attraktiver Arbeitgeber sein und ein interessantes und stabiles Arbeitsumfeld bieten, in dem Menschen ihr Potential entfalten können. Wir sind interessiert daran, dass gute Mitarbeiter*innen ein möglichst langes Stück Weg mit uns gemeinsam gehen, dass wir sie begeistern können und sie wiederum andere. Das ist auch „Ultrasonic Excitement“.
Sie haben lange Zeit in den USA gelebt und dort die Marke „Herrmann“ etabliert. Was waren für Ihren Werdegang die wichtigsten Faktoren, die Sie zu dem gemacht haben, was Sie heute sind?
Die Anfangsjahre in Amerika waren extrem schwierig; ich habe um die ersten Kunden hart gekämpft. Insofern musste ich lernen, durchzuhalten und immer gut vorbereitet zu sein und auch manche Niederlage einstecken zu können. Das war auf jeden Fall eine gute „Lebensschule“ für mich. Letztendlich war ich gezwungen, mich früh im Leben mit „Resilienz“ auseinanderzusetzen, also Zuversicht zu entwickeln und Glauben daran, dass meine Pläne erfolgreich sein würden. Heute haben wir „Resilienz“ als einen unserer vier Unternehmenswerte fest in unserer Unternehmenskultur verankert.
Ihr Vater war ein ausgesprochener Tüftler, der zunächst mit der Herstellung von Ultraschall-Reinigungsgeräten begonnen hat, bevor er die Möglichkeiten des Ultraschall-Schweißens für sich entdeckt hat. Was haben Sie von Ihrem Vater für Ihre berufliche Entwicklung gelernt?
Er hat mich früh dazu angehalten, mich zu fokussieren auf das, was ich und was das Unternehmen gut kann. Energien bündeln und Synergien entwickeln und die Marge mit der Ultraschall-Kernkompetenz verdienen, das war sein Credo, das ich übernommen und ausgebaut habe.
Als passionierter Jäger sind Ihrem Vater die Ideen für bahnbrechende Erfindungen oftmals auf dem Jägersitz eingefallen. Welche Hobbies verfolgen Sie in Ihrer Freizeit, um Energie zu schöpfen und den Kopf für neue Ideen frei zu bekommen? Für mich ist die Natur ebenfalls ein Kraftquell, seit einigen Jahren bin ich selbst auch Jäger und genieße diese ruhigen Zeiten im Grünen sehr. Letztendlich brauche ich in der heutigen Zeit der Reizüberflutung und ständigen Erreichbarkeit Möglichkeiten zum Abschalten. Das kann ich neben dem Jagen auch beim Skifahren oder bei Auszeiten auf meiner Lieblingsinsel Mallorca.
Welche Bücher haben Sie besonders beeindruckt? Welche Lektüre hat Sie geprägt oder inspiriert? Beruflich haben mich zwei Bücher geprägt: „Good to Great“ von Jim Collins (Der Weg zu den Besten) und „Drive“ von Daniel Pink. Dazu lasse ich mich auch gerne aus dem Buch der Bücher, der Bibel, inspirieren.
Leitgedanke von Herrmann Ultraschall ist „Bonding – More than Materials“. Können Sie erläutern, was hinter dem Leitgedanken steckt und inwieweit das den Erfolg von Herrmann Ultraschall ausmacht?
Dieser Leitgedanke, unser WHY, bringt zum Ausdruck, dass es uns eben nicht nur darum geht, Materialien miteinander zu verschweißen, sondern auch alle Menschen zu verbinden, mit denen wir in Kontakt kommen: Kunden, Mitarbeiter und deren Familien, Lieferanten, Partner, unsere Kommune, unsere Umwelt – einfach alle Interessensgruppen rund um unser Unternehmen.
Das gesamte Unternehmen befindet sich auf einer Culture Journey, einer fortwährenden Reise, bei der die Mitarbeitenden regelmäßig in ihren jeweiligen Arbeitsteams Workshops durchlaufen. Wie kamen Sie auf diese Idee und was ist Ziel dieser Culture Journey?
Beginnend mit dem Generationenwechsel war es uns sehr wichtig, die konventionelle patriarchalische Hierarchie zu modernisieren und wir suchten nach neuen Führungsinstrumenten. So wurde ein Prozess angestoßen und gemeinsam mit unserem Unternehmens- und Führungs-Coach Dr. Sebastian Reschke (www.philios.eu) entwickelt. Die Culture Journey ist kein festgelegtes Event und auch keine Marketing-Kampagne. Die Culture Journey ist die Etablierung und Festigung unseres Selbstverständnisses, unseres WHY im Unternehmen. Sie ist eine unendliche Reise, ein Roadtrip. Das Ziel ist Kundenbegeisterung durch ein begeistertes Miteinander auf der Grundlage unserer vier Unternehmenswerte Integrität, Wertschätzung, Leidenschaft, und Resilienz.
Von außen betrachtet ist die Culture Journey aufwändig. Können Sie bitte den Ablauf näher beschreiben und auch etwas zum zeitlichen und finanziellen Rahmen sagen?
Als Führungsteam beschäftigen wir uns seit 2017 mit dem Thema, ein offizieller Startschuss für das ganze Unternehmen war Anfang 2019. Die Kosten für die Workshops, die außer Haus stattfinden und die eigenen Mitarbeiter, die zur Betreuung der Workshops freigestellt sind, betrachten wir als wichtigen Hebel in der Personalentwicklung und Unternehmenssicherung. Das ist sozusagen eine Investition in die Zukunft des Unternehmens.
An welchen Kriterien machen Sie den Erfolg der Culture Journey fest?
Wir machen den Erfolg insbesondere am Feedback unserer Kunden fest, aber auch zum Beispiel daran, wie konstruktiv ein Abteilungsleiter mit Kritik oder sonstigen Problemen in seiner Mannschaft umgeht – das ist Integrität. Oder wie man sich in der Firma pro-aktiv unterstützt und ob man pünktlich zu Meetings kommt – das ist Wertschätzung. Der Erfolg der Culture Journey zeigt sich auch in der Art und Weise, wie wir mit Problemen und Herausforderungen umgehen – das ist Resilienz. Oder wie wir unseren Kunden begegnen, für sie Unmögliches möglich machen und gemeinsam ihre Anforderungen umsetzen – das ist Leidenschaft.
Welche Tipps können Sie Unternehmern mitgeben, die am Anfang einer solchen Kulturentwicklung stehen? Was braucht es, damit die Unternehmenskultur zum differenzierenden Erfolgsfaktor wird?
Am wichtigsten ist es, dass der oberste Führungskreis authentisch und nahbar ist. Nur dann schafft man Vertrauen in der Belegschaft und somit den ersten Schritt zum wertbasierten Miteinander. Fehler dürfen gemacht werden und man braucht Zeit, um ein konstruktives und wohlwollendes Miteinander zu lernen. Und man braucht auch Geduld, vor allem wenn der Prozess stockt und Hürden auftauchen.
Ihre Schwester, Sabine Herrmann-Brauss, ist Cash und Asset Managerin des Unternehmens. Ihr Vater, zwischenzeitlich 85 Jahre, ist von Zeit zu Zeit noch vor Ort präsent und Ihre Frau ist im Unternehmen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit/PR tätig. Wie funktionieren Sie als Familie, privat und geschäftlich?
Sicherlich ist das Unternehmen auch im privaten Bereich sehr präsent; wir sind alle mit Leidenschaft dabei und das kann man nicht einfach abschalten. Wichtig ist es aber auch, Freiräume zu schaffen und Fragestellungen/Probleme aus der Firma im Privatbereich auch mal auszublenden. Das tun wir sehr bewusst.
Sie haben als Familie entschieden, dass das Unternehmen, auch über Generationen hinweg, im Eigentum der Familie bleiben soll. Können Sie uns hierzu einen Einblick geben, wie Sie das verwirklichen?
Das Unternehmen bleibt der Familie über ein Stiftungskonstrukt erhalten. So soll der Fortbestand des Unternehmens gesichert werden und Teile des Gewinnes auch dem Gemeinwohl wie zum Beispiel Forschungs- und sozialen Zwecken zukommen. Ein Unternehmen hat aus meiner Sicht nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch immer eine soziale Aufgabe. Als Familienmitglied besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sich einzubringen und mitzuarbeiten, aber jeder soll sich ohne Erwartung oder Zwang entscheiden dürfen.
Welche Herausforderungen sehen Sie in der Zukunft auf Herrmann Ultraschall zukommen und was tun Sie, um dafür gerüstet zu sein?
Als Premiumanbieter, der ausschließlich in Deutschland produziert, müssen wir immer einen messbaren, zusätzlichen Kundennutzen bieten. Daran arbeiten wir hart. Dazu kommt die richtige und wichtige Diskussion um Nachhaltigkeit. Ein Unternehmen sollte sich dazu auf allen Ebenen zukunftsgerichtet positionieren.
Ihr Leitspruch oder Lebensmotto?
Es ist die Goldene Regel: „Behandle andere so, wie du selber behandelt werden möchtest.“
Möchten Sie unseren Lesern zum Abschluss noch etwas mit auf den Weg geben?
Als die jetzigen Entscheidungsträger sollten wir versuchen, Metatrends richtig zu deuten und für die nachfolgenden Generationen positiv denkend und wohlwollend nachhaltig die Weichen stellen.
Herr Herrmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Fotos: Herrmann Ultraschall