„Erfolg durch ein leidenschaftliches und engagiertes Team“
Im Rahmen unserer Serie „Der Erfolgsfaktor Mensch“ haben wir mit Dr. Harald Marquardt, Vorsitzender der Geschäftsführung und Gesellschafter der Marquardt Gruppe, gesprochen.
Das wirtschaftlich erfolgreiche und unabhängige Familienunternehmen gehört mit über 11.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz
von 1,3 Milliarden Euro zu den weltweit führenden Herstellern von mechatronischen Schalt-/Bediensystemen sowie Systemen für
die Elektromobilität. Die Produkte des Mechatronik-Spezialisten – darunter smarte Bedien-/ Connectivity-Systeme, Fahrzeugzutritts-, Fahrberechtigungs- und Batteriemanagementsysteme für elektrobetriebene Fahrzeuge – kommen bei vielen namhaften Kunden der Automobilindustrie zum Einsatz. Ebenso sind Systeme von Marquardt in Hausgeräten, Off-road-Fahrzeugen und industriellen Anwendungen und in Elektrowerkzeugen zu finden.
Herr Dr. Marquardt, ob Daimler, Audi, Porsche oder BMW – die Produkte Ihres Unternehmens sind in fast allen großen Marken der Welt verbaut, fast achtzig Prozent Ihres Umsatzes erzielen Sie mit Kunden aus der Automobilindustrie. Wie erleben Sie vor diesem Hintergrund die Mobilitätswende?
Wir haben das Glück, dass uns die großen Zukunftstrends der Branche in die Karten spielen. Die E-Mobilität gestalten wir beispielsweise durch Batteriemanagementsysteme mit, die unter anderem für eine lange Lebensdauer der Akkus und für eine optimierte Reichweite des elektrisch betriebenen Fahrzeugs sorgen. Wenn das autonome Fahren weiter voranschreitet, wird außerdem der Fahrzeuginnenraum eine deutliche Aufwertung erfahren. Auch das ist gut für Marquardt, weil wir als Mechatronik-Experte viele hochwertige Bedienelemente, aber auch Fahrzeugzutritts- und Fahrberechtigungssysteme liefern, die maximalen Diebstahlschutz bieten. Alles in allem also eine sehr ordentliche Entwicklung für uns.
Sie sind also ein sorgenfreier Unternehmer.
(Lacht) Es freut mich, dass ich so positiv auf Sie wirke, aber dann war ich jetzt wohl etwas zu überschwänglich! Den „sorgenfreien“ Unternehmer gibt es meines Erachtens gar nicht, weil er sich ja gerade dadurch auszeichnet, dass er nicht auf einmal Erreichtem verharrt, sondern ständig in Bewegung bleibt, immer wieder etwas Neues unternimmt und damit auch etwas wagt. Und indem er Neuland betritt, stellt er sich Herausforderungen, die selbstverständlich auch ungeplante und schwierige Entwicklungen mit sich bringen können. Entscheidend für den Erfolg ist letztlich ein starkes Team mit Menschen, die ebenso etwas
bewegen wollen, unternehmerisch denken und leidenschaftlich anpacken – und die haben wir bei Marquardt. Deshalb bereitet mir das Geschäft unterm Strich sehr viel mehr Spaß als Sorgen.
Welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell gegenüber?
Es reicht natürlich nicht aus, nur die richtigen Produkte zu haben. Wir müssen sie, bei zunehmender Anzahl und Komplexität, auch in gleichbleibend hoher Qualität und fristgerecht an den Kunden liefern. Und wir stehen permanent und insbesondere in Deutschland massivem Kostendruck gegenüber. Viele Produkte können wir hier inzwischen leider nicht mehr wettbewerbsfähig herstellen. Um Verluste zu minimieren und
zu vermeiden und auch künftig am Markt bestehen zu können, müssen wir deshalb in den nächsten zwei Jahren Arbeitsplätze an kostengünstigere Standorte verlagern. Als Familienunternehmen, das in der Region verwurzelt ist und sich auch in Zukunft weiter zu seinen deutschen Standorten bekennt, fällt uns ein solcher Schritt sehr schwer. Wir haben deshalb sämtliche Alternativen intensiv geprüft. Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage und des extremen Kostendrucks, den wir als Zulieferer erfahren, ist die Maßnahme jedoch unumgänglich.
Gleichzeitig haben Sie gerade erst ein neues Entwicklungs- und Innovationszentrum eröffnet. Ist das nicht ein Widerspruch?
Es ist kein Widerspruch, aber durchaus ein Spagat. Parallel zur Umsetzung vieler Effizienzmaßnahmen halten wir an strategischen Investitionen fest, die den langfristigen Wachstumskurs und die Innovationskraft von Marquardt unterstützen. Dazu gehört unser neues Entwicklungs- und Innovationszentrum an unserem Stammsitz in Rietheim-Weilheim. Ebenso bauen wir gerade ein neues Entwicklungsgebäude in Pune, Indien, und wir weihen in Kürze unser zweites Werk in China in der Stadt Weihai ein. Trotz der herausfordernden Phase, in der wir uns aktuell befinden, werden wir unser enormes Potenzial als Mechatronik-Experte nachhaltig nutzen. Denn anders als etwa Zulieferer, die am Verbrennungsmotor hängen, haben wir Kompetenzen, mit denen wir den Mobilitätswandel maßgeblich mitgestalten können. Daher stellen wir schon heute die
Weichen für die Zukunft. Dazu gehört übrigens auch, weitere qualifizierte Bewerber und Kandidaten zu finden, zum Beispiel hochspezialisierte Entwickler. Das ist nicht immer ganz einfach…
Sie spielen auf den Fachkräftemangel an. Wie geht Marquardt damit um?
Sehr offensiv und kreativ! Wir nutzen verschiedenste Plattformen und digitale Kanäle, um mit potentiellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zunächst in einen lockeren Austausch zu kommen und erste Fragen zu beantworten. Sehr oft gibt es dann Vorbehalte vor dem sogenannten „ländlichen Raum“, in dem sich unser Firmenstammsitz befindet. Der Begriff weckt allerdings falsche Assoziationen. Denn unsere Region weist
eine der höchsten Industriedichten in Europa auf. Und sie bietet gerade jungen Familien unterm Strich immer noch mehr Vorteile als die großen Ballungszentren: fast keine Staus, extrem gute Luftqualität, weitaus erschwinglichere Miet- und Immobilienpreise, sehr viele attraktive Naherholungsziele und Freizeitangebote für jede Jahreszeit, die Nähe zum Bodensee, zum Schwarzwald, zur Schweiz, zum Elsass sowie zum
Donautal und sehr freundliche und bodenständige Menschen. Zudem ist man binnen einer guten Stunde in Stuttgart oder Zürich. Und wir setzen, wie Sie wissen, immer wieder auch gute und leistungsfähige Personalberatungen wie Ihr Unternehmen zur Rekrutierung ein.
Sie machen auch Werbung für die Region, um gute Leute zu finden?
Ja, und das mit Erfolg. Viele Kandidaten kommen erst richtig auf den Geschmack, wenn sie einmal hier sind. Aber die Argumente für den Standort allein reichen natürlich nicht aus. Ebenso wichtig ist, dass wir viele sehr interessante Jobs bieten. Als Familienunternehmen mit flachen Hierarchien können unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon früh Verantwortung übernehmen: Bei uns konstruieren Sie, bildlich gesprochen, nicht nur den Rückspiegel, sondern das ganze Auto. Und das in einem internationalen Umfeld. So kann ein deutscher Entwicklungsingenieur ein Projekt z.B. mit seinen chinesischen, rumänischen oder amerikanischen Kollegen zum Erfolg bringen. Der große unternehmerische Gestaltungsspielraum, den wir ermöglichen, macht Marquardt als Arbeitgeber sehr attraktiv, wie uns viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder rückmelden. Insgesamt sind die Entwicklungschancen bei uns viel besser als in einem großen Konzern.
Sie führen das Unternehmen in dritter Generation Wie schwer ist es Ihnen damals gefallen, die Verantwortung für Marquardt zu übernehmen?
Bei mir war es immer mehr Lust als Last. Aber selbstverständlich gibt es immer Situationen, in denen ich sage, ich hätte ja auch etwas „Anständiges“ lernen können.
Was ist Harald Marquardt für ein Mensch?
Das wichtigste ist, er ist ein Mensch – und auch ein nahbarer. Der aber auch durchaus um die Härte des Geschäfts weiß und auch zu kämpfen gelernt hat. Die Zahl meiner Hobbys ist begrenzt, mein Haupthobby ist zum Leidwesen meiner Familie das Unternehmen Marquardt. Insofern bin ich wohl ein typischer Familienunternehmer.
Wissenswertes zur Marquardt Gruppe
Das 1925 gegründete Familienunternehmen Marquardt mit Stammsitz in Rietheim-Weilheim gehört zu den weltweit führenden Herstellern von mechatronischen Schalt- und Bediensystemen. Die Produkte des Mechatronik-Spezialisten – darunter Bedienkomponenten, Fahrzeugzutritts-, Fahrberechtigungs- und Batteriemanagementsysteme für elektrobetriebene Fahrzeuge – kommen bei vielen namhaften Kunden der Automobilindustrie zum Einsatz. Ebenso sind Systeme von Marquardt in Hausgeräten, industriellen Anwendungen, Elektrowerkzeugen und in E-Bikes zu finden. Das Unternehmen zählt weltweit über 11.000 Mitarbeiter an 20 Standorten auf vier Kontinenten. Der Umsatz lag im Geschäftsjahr 2018 bei 1,3 Milliarden Euro. Jährlich investiert Marquardt rund zehn Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung.
Wissenswertes zur Person
Dr. Harald Marquardt studierte nach der Ausbildung zum Bankkaufmann Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Nach einigen Stationen bei der Osram GmbH, unter anderem als Finance Director bei der englischen Tochterfirma in London, trat er 1996 als Vertreter der dritten Generation in die Geschäftsführung der Marquardt GmbH in Rietheim-Weilheim ein. 1997 Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Stuttgart. Seit 2004 ist er Sprecher der Geschäftsführung der Marquardt Gruppe, seit 2015 deren Vorsitzender.