Wir freuen uns, in unserer neuen Ausgabe der Serie ERFOLGSGESCHICHTEN Herrn Dr. Nicholas Matten zum Interview zu begrüßen.
Wer ist Dr. Nicholas Matten? Wie würden Sie sich beschreiben?
Ich bin sicher ein Mensch mit einem starken Wertekompass. Ich bin in einem evangelischen Pfarrhaus aufgewachsen und die christlichen Grundwerte waren bei uns stets ein Thema und wurden auch im Alltag reflektiert.
Außerdem bin ich ein unverbesserlicher Optimist, dem das Glück bislang – toi, toi, toi – hold war. Wenn meine Zeit eines Tages abgelaufen ist, habe ich hoffentlich noch 2 Sekunden, um Danke zu sagen – Danke liebe Welt, dass ich so ein tolles Leben hatte, dass ich tolle Menschen kennengelernt habe. Die Zeit auf diesem Planeten war einfach super.
Ansonsten: Ich bin sehr wissbegierig, mich faszinieren viele Themen, vor allem Menschen. Was sie tun, und vor allem warum sie etwas tun. Das zu ergründen finde ich sehr spannend.
Würde die Beschreibung genauso ausfallen, wenn Sie sich als Geschäftsführer bei der Stiebel Eltron GmbH & Co. KG vorstellen müssten?
Ich hoffe es. Ich bin überzeugt davon, dass Führungskräfte authentisch sein müssen, sich also nicht in ihrem Job verstellen sollten. Natürlich gibt es dabei Grenzen, etwa bei der Kommunikation. Hier muss man schon überlegen, welche Themen man wann und wie adressiert, darf nicht immer gleich dem ersten Impuls folgen.
Führungskräfte sollten m. E. auch berechenbar sein – schon im Interesse ihrer Mitarbeiter. Egal ob die Sonne scheint oder ob es schneit, ob Montagmorgen oder Freitagnachmittag ist. Das erleichtert allen die Zusammenarbeit.
Hatten Sie schon immer diese Einstellung oder war das ein Prozess?
Das war sicherlich ein Erkenntnisprozess, bei dem auch persönliche Rückschläge eine Rolle gespielt haben. Bei mir war das die Trennung von meiner ersten Frau. Da kamen dann Fragen hoch wie „Wer bist du eigentlich?“, „Was willst du?“ Ich war Ende 30 und musste erst einmal lernen, mit Enttäuschungen im Leben umzugehen. Seitdem fühle ich mich wohler in meiner Haut – ich habe erkannt, wer ich eigentlich bin. Glücklicherweise habe ich in meiner zweiten Lebensphase mein privates Glück gefunden. Auch beruflich bin ich seitdem zielstrebiger und auch erfolgreicher unterwegs.
Sie sind Engländer, aber in Ostafrika aufgewachsen. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Ich habe ein wunderschönes Bild von meiner dritten Schulklasse – während meiner Zeit auf der internationalen Schule von Uganda. Wir waren ein bunter Haufen: 30 Kinder – Afrikaner, Engländer, aber auch Deutsche, Chinesen, Japaner. Was ich cool fand: Sympathien entwickelten sich nicht entlang der Nationalitäten. Damals habe ich gelernt, Freundschaften entstehen zwischen Persönlichkeiten. Das hat mich sehr geprägt, das Weltoffene – Menschen nicht nach ihrer Herkunft zu beurteilen.
Führungskräfte müssen täglich Entscheidungen treffen. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, Kopf oder Bauchgefühl?
Ich glaube Entscheidungen trifft man an drei Stellen im Körper. Mit dem Intellekt, dem Logischen im Kopf. Mit dem Instinkt, also dem Bauchgefühl und emotional, mit dem Gefühl im Herzen. Wichtige Entscheidungen sollte man meiner Meinung nach in erster Linie logisch entscheiden – nüchtern durchdenken. Fakten auf den Tisch legen. Vor- und Nachteile, Risiken und Chancen abwägen. Als nächstes kommt sicherlich auch das Bauchgefühl dazu, also das Instinktive und auch das Emotionale. Um es greifbarer zu machen: 50 % logisch und jeweils 25 % emotional und instinktiv.
Seit 2016 sind Sie Geschäftsführer bei Stiebel Eltron, was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?
Ich bin 2015 angesprochen worden, ob ich zu Stiebel Eltron kommen würde. Damals kannte ich Stiebel Eltron nur von den Durchlauferhitzern im Badezimmer. Ich war mir anfangs nicht sicher, ob die Heizungsbranche und die Firma etwas für mich sind. Aber dann habe ich Dr. Ulrich Stiebel kennengelernt, einen der beiden Gesellschafter. Ich fand ihn als Mensch sehr authentisch und offen. Direkt bei unserem ersten Gespräch meinte er, ich solle mir die Firma vor Ort anschauen, bevor ich eine Entscheidung treffe. Also bin nach Holzminden gefahren – wie gesagt eher skeptisch. Aber es kam anders: Ich war fasziniert, ich war sprachlos. Da war so viel Potenzial – Produkttechnologie, technische Kompetenz, Fertigungstechnik. Ich war überwältigt, welches Know-how in der Firma steckte. Da kam der Ingenieur in mir durch. Auch als Manager war es für mich eine unglaublich dankbare Aufgabe: Mit meiner bisherigen Erfahrung wusste ich, wo ich ansetzen und Dinge weiterentwickeln konnte. Das war es, was mich letzten Endes von dem Job überzeugt hat. Und, ich habe es nie bereut.
Stiebel Eltron steht für erneuerbare Energien, ein Thema, das immer mehr an Fahrt aufnimmt, trotzdem noch am Anfang steht. Wie sieht Ihre Vision in diesem Bereich aus?
Nachhaltiges Wirtschaften ist seit 100 Jahren fest in der DNA von Stiebel Eltron verankert. Das habe nicht ich auf den Weg gebracht. Meine Aufgabe war es, darauf aufzubauen und das Unternehmen beim Wachstum und Ausschöpfen des Potenzials, das im Haus steckt, auf das nächste Level zu bringen. Wir können einen noch größeren Beitrag zur Energiewende leisten. Durch unsere Kontakte in die Politik diskutieren wir dieses Thema auf vielen Ebenen. Ich habe diesbezüglich einen klaren Wunsch: Nämlich, dass wir in Deutschland, als Gesellschaft und als Volkswirtschaft endlich verstehen, dass wir handeln müssen! Wir können nicht weiter zuschauen, wie der Klimawandel voranschreitet. Wir müssen aufhören, immer alles zu zerreden, sondern unsere Chance erkennen und nutzen! Denn die ist gigantisch: Wir können Vorreiter werden und damit das Exportmodell Deutschland am Leben halten. Dazu müssen wir nur mit den Dingen anfangen, die wir bereits können. Es gibt noch keine perfekte Lösung? Warum nutzen wir nicht das, was wir schon haben? Wenn Langstrecken elektrisch noch schwierig sind, okay, aber warum nutzen wir sie dann nicht konsequent auf Kurzstrecken? Meine Devise heißt: Nicht nach Perfektion streben – denn Perfektion gibt es nicht – einfach machen!
Ist Umweltschutz ein Thema, das Sie auch persönlich umtreibt?
Ich bin davon überzeugt, dass man nicht für eine Firma oder in einem Themenfeld arbeiten kann, hinter dem man selbst nicht steht. Dann ist es schwer, eine gute Führungskraft zu sein. Natürlich gibt es solche Manager auch, aber das sind für mich keine Vorbilder.
Wer sind denn Ihre Vorbilder? Wer sind die Menschen, die Sie geprägt haben?
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen romantisch, aber eine Person, die mich ganz stark prägt und fördert, ist meine Frau. Sie holt nur das Beste aus mir heraus (lacht).
Ein Mensch, der mich beruflich sehr beeinflusst hat, war mein amerikanischer Chef während meiner Zeit in England. Er hat früh mein Potenzial erkannt und mich weiterentwickelt.
Am stärksten aber hat mich mein Chef bei Hansgrohe geprägt, für den ich fast 20 Jahre lang gearbeitet habe. Er ist mein größter Förderer, aber auch mein größter Kritiker – bis heute. Immer wenn ich einen Fehler gemacht habe, hat er sich vor mich gestellt. Unter vier Augen hat er dann allerdings kein Blatt vor den Mund genommen. Das war nicht immer leicht, aber mit ein wenig Abstand habe ich erkannt, dass an der Kritik meist etwas dran war. Diese Eigenschaft, solche Dinge immer unter vier Augen zu besprechen, Menschen niemals bloßzustellen, diesen Führungsstil habe ich mir zu eigen gemacht. Anders würde man seine Mitarbeiter nur beschädigen.
Was für eine Führungspersönlichkeit sind Sie? Sind Sie eher der partizipative oder der direktive Typ?
Am Ende des Tages sind erfolgreiche Führungskräfte immer auch entscheidungsstark, sonst wären sie nicht dort, wo sie sind. Ein Unternehmen kann man aber nicht allein direktiv führen. Erst recht nicht, wenn man es weiterentwickeln, neu formen will. Dazu muss man die Seele des Unternehmens kennen, verstehen wie es tickt und vor allem wie die Menschen darin ticken. Denn in jeder Unternehmenskultur stecken Dinge, die wichtig sind und die das Unternehmen zu dem gemacht haben, was es ist. Diese Unternehmenskultur weiterzuentwickeln, ist die Kunst – Kultur zu zerstören, das geht schnell.
Maßgeblich ist dabei die Kommunikation: D. h. zu erklären warum etwas gemacht, umgestaltet oder reorganisiert werden muss. Die entscheidenden Mitarbeiter mitzunehmen und vor allem das Potenzial der Mitarbeiter zu erkennen, darauf kommt es an. Klar muss aber auch sein, dass im Zweifelsfall derjenige die Entscheidung trifft, der die Verantwortung trägt. Endlosdiskussionen wären nicht zielführend.
Haben Sie da ein konkretes Beispiel?
Als ich bei Stiebel Eltron angefangen habe, war eine Führungskraft sehr stark eingeengt worden und konnte sich dadurch nicht richtig entfalten. Ich habe ihn gefragt was er verändern würde, was ihm nicht passt, aber auch was er gut findet. Wir haben ein gemeinsames Ziel erarbeitet und schnell festgestellt, dass wir ähnlich ticken. Entscheidend war ein klares Zielbild, wo wir hinwollten: Aus den gemeinsamen Ideen ist eine hochmoderne Vertriebsorganisation entstanden, die ihre Pferdestärken jetzt so richtig auf die Straße bringt – mit der gleichen Führungskraft, die heute nur so vor Ideen sprudelt. Ich will damit sagen, dass es wichtig ist, Mitarbeitern Freiräume zu geben, damit sie sich entfalten können. Dazu gehört es auch Fehler machen zu dürfen. Nur wer nichts macht, macht keine Fehler (lacht).
Führungskräfte müssen viel und lange arbeiten, da bleiben Familie und Freizeit oftmals auf der Strecke. Was treibt Sie an, so viel Zeit und Herzblut in Ihre Arbeit zu stecken?
Leidenschaft – für die Aufgabe, für das Unternehmen. Das ist es, wofür ich brenne. Dazu gehört es eben auch mal an Wochenenden zu arbeiten oder abends später nach Hause zu kommen. Natürlich braucht man dazu eine Familie, die das mitmacht und akzeptiert. Es geht nur mit Verständnis auf beiden Seiten. Aber auch mal kräftig zu streiten, gehört dazu.
Und wenn man ehrlich ist, treibt einen natürlich auch die Anerkennung. Wir alle streben nach Anerkennung – vom Partner, von den Kindern, oder eben im Job. Auch ich möchte natürlich, dass die Menschen schätzen, was ich mache. Dass die Mitarbeiter sagen, das Unternehmen ist in guten Händen.
Wie schaffen Sie es, sich trotz langer Arbeitstage auch mal Freiräume zu schaffen und vom Job abzuschalten?
Ich habe das Glück, dass ich sehr schnell abschalten kann, etwas, das ich mir über die Jahre beigebracht habe. Natürlich schleppt man mal ein Problem mit nach Hause und diskutiert auch ein berufliches Thema mit der Frau. Im Großen und Ganzen klappt es bei uns aber recht gut, privates und berufliches zu trennen. Wir haben uns bei meinem Wechsel zu Stiebel Eltron bewusst für eine räumliche Trennung entschieden, weil wir die Kinder nicht aus Ihrem gewohnten Umfeld reißen wollten. D. h. Holzminden ist Arbeit, zuhause ist Familie.
Sie haben beruflich schon sehr viel erreicht. Haben Sie trotzdem noch Ziele?
Eher einen Wunsch: Ich bin jetzt 60, der Ruhestand rückt näher. Ich wünsche mir, dass ich zu einem Zeitpunkt aus dem Job aussteigen kann, den ich selbst bestimme. So wie ich meine beruflichen Wechsel glücklicherweise immer selbst gestalten konnte.
Bis dahin möchte ich weiter am Erfolg des Unternehmens mitwirken, weiter die strategische Ausrichtung mitgestalten. Und in der Zeit danach möchte ich meine Erfahrung und das Wissen, das ich habe, anderen Unternehmern zur Verfügung stellen.
Und privat, was steht da auf Ihrer Wunschliste?
Mein wesentlicher Wunsch ist es, mehr Zeit für meine Familie zu haben. Zeit für meine Kinder und Dinge, für die ich aufgrund meiner Arbeit eben keine Zeit hatte. Lesen zum Beispiel, kochen oder einfach etwas im Haus reparieren und mich abends bei einem Glas Wein daran zu erfreuen.
Wem drücken Sie bei der WM die Daumen, Deutschland oder England?
Ich bin schon so lange in Deutschland, meine Frau und die Kinder sind für Deutschland und ich mittlerweile ebenso. Aber mein Herz schlägt natürlich auch für die Three Lions – mit zwei Eisen im Feuer sind die Erfolgschancen doppelt so groß (lacht).
Herr Dr. Matten, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Vita:
Dr. Nicholas Matten ist seit 2016 Mitglied der Geschäftsführung der STIEBEL ELTRON Gruppe. Er verantwortet die Bereiche Vertrieb, Marketing und Finanzen. Zuvor war er zwanzig Jahre bei Hansgrohe SE, zuletzt als Vice President Sales Osteuropa, Afrika, Türkei, Mittlerer Osten und Leiter des weltweiten Objektvertriebs. Er studierte Ingenieurswissenschaften und promovierte 1993 an der Universität Stuttgart. Dr. Nicholas Matten ist Vorstandsmitglied im Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie.
STIEBEL ELTRON ist eine international ausgerichtete Unternehmensgruppe und gehört weltweit zu den Markt- und Technologieführern in den Bereichen ‚Haustechnik‘ und ‚Erneuerbare Energien‘. Seit 1924 sind technische Leistungsfähigkeit, Qualität, Innovation, Zuverlässigkeit und kundennaher Service bestimmende Faktoren des Erfolgs.
Mit vier nationalen und vier internationalen Produktionsstätten, weltweit 26 Vertriebsgesellschaften sowie Vertriebsorganisationen und Vertretungen in über 120 Ländern ist STIEBEL ELTRON global aufgestellt. Der Umsatz beträgt über 830 Millionen Euro, über 50 Prozent davon entfallen auf das Ausland.