Wir freuen uns, in unserer neuen Ausgabe der Serie ERFOLGSGESCHICHTEN Frau Röhm-Kottmann zum Interview zu begrüßen.
Frau Röhm-Kottmann, wie würden Sie sich als Mensch beschreiben?
Als offen und vertrauensvoll. Ich gehe gerne auf andere Menschen zu und finde in der Regel schnell eine gemeinsame Basis. Ich nehme mir stets vor, nicht hierarchisch zu denken und jeden Menschen gleich und auf Augenhöhe zu behandeln. Man sagt mir außerdem nach, dass ich ein sehr positiver und freundlicher Mensch bin. Natürlich muss man als Führungskraft auch mal Grenzen aufzeigen oder Vorgaben machen. Dabei versuche ich aber stets wertschätzend zu sein.
Außerdem habe ich viel Energie und kann mich für vieles begeistern. Das kann ich auch gut auf andere übertragen (lacht). Und falls Sie wissen wollen, wo ich nicht so gut bin: ich kann ziemlich nachtragend sein…
Würden Sie sich so auch als Führungskraft beschreiben?
Genauso! Ich muss mich bei meiner Arbeit nicht verstellen. Ich bin wie ich bin, z. B. offen für Vorschläge und Anregungen. Ich schaue immer, wo man etwas besser machen kann. Da bin ich reflektiert und selbstkritisch – das bin ich aber auch zuhause.
Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit? Gibt es einen typischen Arbeitstag?
Nein, den gibt es nicht. Kein Tag ist wie der andere. Das ist das Faszinierende an meinem Job: Ich entdecke jeden Tag etwas Neues. Mir begegnen viele interessante Themen und das passt ja auch sehr gut zu meinem Persönlichkeitsprofil (lacht): Ich schaue gerne mal nach Links oder Rechts, über den vielzitierten Tellerrand hinaus. Deswegen bin ich dankbar, dass ich noch meiner Nebenbeschäftigung nachgehen darf. Als Aufsichtsrätin bei Zalando sehe ich viel Neues und lerne andere Sichtweisen kennen. Das gefällt mir.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die Unterschiede zwischen dem Traditionsunternehmen ZF und dem vergleichsweisen Newcomer Zalando?
Zalando ist ein großgewordenes Startup-Unternehmen. Man spürt noch sehr intensiv das agile Mindset der ersten Stunde und den Spirit der Gründer. Gleichzeitig ist das Unternehmen in kurzer Zeit sehr stark gewachsen. Daneben ist Zalando börsennotiert und seit letztem Jahr im DAX 40 und unterliegt somit den Regeln des Kapitalmarkts. ZF hingegen ist als Stiftungsunternehmen zwar nicht börsennotiert, befolgt aber freiwillig weitestgehend diese Regeln.
Das rasante Wachstum von Zalando in den letzten zehn Jahren ist sicher der größte Unterschied zu ZF, das ja über einen viel längeren Zeitraum neben organischem Wachstum vor allem auch über Akquisitionen groß geworden ist. Auch bei ZF machen wir uns Gedanken, wie man dieses agile, unternehmerische Denken und eine wachstumsorientierte Kultur in das Unternehmen bringen kann. Wir haben kürzlich unsere neuen Unternehmenswerte, den „ZF Way“, entwickelt, der diese neue Kultur widerspiegelt. Dabei durfte ich mitwirken und konnte meine Erfahrungen von Zalando einbringen. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich und doch ähnlich beide Unternehmen unterwegs sind.
Als Leiterin des konzernweiten Rechnungswesens haben Sie sicherlich den Kopf voller Zahlen. Wie emotional sind Sie?
Ich bin kein typischer Zahlenmensch und Wirtschaftsprüfer. War ich nie. Ich bin zwar eher analytisch-mathematisch, aber durchaus emotional und einfühlsam – was gut und schlecht ist. Denn das lässt mich einerseits Stimmungen deutlich wahrnehmen, andererseits hat man ein besseres Gespür für Menschen. Ich kann mein Gegenüber gut einschätzen, das war immer eine Stärke von mir. Empathie ist wichtig als Führungskraft: Ich kann besser auf Menschen eingehen, wenn ich spüre und verstehe, wo der andere gerade steht. Wenn ich weiß, was ich wem zumuten kann. Ich denke, auch deshalb haben wir ein super Leitungsteam in unserem Bereich.
Hilft Ihnen Ihre Empathie, sich in der Männerdomäne ZF zu behaupten?
ZF ist als technisches Unternehmen zwar männerlastig, aber verhältnismäßig wenig politisch. Klar gibt es auch hier Politik, es wäre naiv, das nicht zu anzuerkennen, aber meist ist der Umgang miteinander sehr konstruktiv. Bei ZF zählt die Leistung. Und die ist geschlechtsunabhängig. Solange ich meine Leistung bringe, macht es keinen Unterschied, ob Mann oder Frau.
Wobei sich gerade was verändert: Es kommen mehr und mehr Frauen ins Unternehmen. Aber ich war lange Zeit auch relativ allein. Für meine Generation ist es leider noch etwas Besonderes, als Frau Karriere zu machen. Ich hoffe sehr, dass das Geschlecht irgendwann keine Rolle mehr spielt. Diversity ist für alle ein Gewinn und es ist höchste Zeit dafür!
Sie arbeiten mit unterschiedlichsten Nationalitäten zusammen. Wo sehen Sie Unterschiede zur deutschen Führungskultur?
Ich habe ein Jahr in den USA gelebt und habe die amerikanische Führungskultur als sehr ansprechend empfunden: Amerikaner sind positiver und motivierender als wir Deutschen. Wir sind oft viel kritischer und negativ orientiert. Dieses positive Denken, diese konstruktive Haltung versuche ich ganz bewusst anzuwenden.
Im Vergleich dazu erlebe ich das Business etwa in Indien noch sehr direktiv. Es ist doch sehr männerdominiert und vor allem hochpolitisch. Umso mehr bewundere ich die Kolleginnen, die hier „ihre Frau stehen“. Als ich kürzlich in Indien war, durfte ich z.B. die neue Leiterin unseres Shared Services Teams in Indien kennenlernen – eine hochkompetente und sehr positive Kollegin, die ihren Weg erfolgreich gegangen ist und Mutter von zwei Söhnen ist trotz körperlicher Behinderung seit ihrer Kindheit.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil bezeichnen?
Als demokratisch. In unserem Team hat jeder seinen Bereich, in dem er Experte ist und mehr weiß als die anderen. Es kommt also auf das Zusammenspiel aller an. Einer allein kann nicht alles wissen. Es war auch nie mein Ziel, in allem die Beste zu sein. Ich arbeite mit intelligenten Menschen zusammen, die viel wissen und können und von denen auch ich noch profitieren kann. Das macht mir Spaß und beflügelt mich!
Natürlich braucht es dafür eine Vertrauenskultur. Die zu fördern, sehe ich als meine vordringliche Aufgabe als Führungskraft an. Das Prinzip „Leading by Example“ ist wichtig: Man muss vorleben, was man sich von seinem Team wünscht. Nur dann kann man glaubwürdig und authentisch die Gruppe führen. Ein Kollege meinte mal, ich sei wie eine Löwin: Ich kümmere mich immer um mein Rudel und wenn es hart auf hart kommt, verteidige ich es. Ich finde das passt, das habe ich wahrscheinlich als Mutter gelernt (lacht).
Als Führungskraft haben Sie prägenden Einfluss. Wer hat Sie geprägt?
Wichtig sind meine Familie, meine Eltern und meine Schwester, sowie Freunde. Mein Mann spielt eine entscheidende Rolle: Wir sind seit mehr als 30 Jahren ein Paar, seit 20 Jahren verheiratet. Das ist eine lange Zeit und ich glaube, ich wäre nicht da, wo ich bin, wenn mein Mann nicht gewesen wäre. Er hat mich immer bestärkt, immer gesagt „Das schaffst du, das kannst du!“ Er hat mich auch vor sechs Jahren bestärkt, zu ZF zu gehen. Und meine Söhne haben gesagt „Mama, wir finden da auch neue Freunde, wenn du dort hingehst.“ Klar, im Berufsleben gibt es immer wieder Chefs, die einen prägen. Aber die große Kraft ziehe ich aus meiner Familie!
Blicken wir auf Ihre Karriere: Was ist Ihr Erfolgsrezept? Würden Sie rückblickend etwas anders machen?
Nö! Ich würde gar nichts anders machen (lacht). Wichtig ist, dass man bereit ist, auch mal ins Risiko zu gehen und neue Herausforderungen anzunehmen. Ohne Motivation und Leistungsbereitschaft geht das natürlich nicht – von nichts kommt nichts. Ich kann nicht sagen, dass ich immer gemütlich auf dem Sofa rumgesessen bin (lacht).
Was zudem zählt ist Resilienz: Dauernd passiert was, kommt es anders als geplant. Eine gewisse Widerstandsfähigkeit sollte man da schon mitbringen. Nach dem Motto „Mich wirft so schnell nichts um“, aber auch um Lehren aus Rückschlägen zu ziehen, statt zu verzagen.
Welche Ziele haben Sie für die Zukunft?
Beruflich: Die Aufsichtsratstätigkeit bei Zalando ist toll und ich könnte mir vorstellen, in Zukunft weitere Aufsichtsratsmandate anzunehmen. Zurzeit macht mir allerdings das Operative noch zu viel Spaß.
Privat fallen mir viele Dinge ein, die ich tun möchte, wenn ich mal mehr Zeit habe. Aber Sie sehen mein Problem: Ich möchte immer zu viele Dinge ausprobieren…(lacht.)
Was motiviert Sie, so viel Zeit in Ihre Arbeit zu stecken?
Mein Job macht mir Spaß, deswegen mache ich ihn gerne und lange; Interessante Aufgaben und Umgang mit interessanten Menschen. Und natürlich ganz wichtig – etwas bewegen und gestalten zu können – Dinge zum Positiven weiterzuentwickeln.
Wie schaffen Sie es, sich Freiräume zu schaffen und abzuschalten?
Ich achte auf mich und meine Gesundheit. Ich mache Sport und meditiere. Ich achte auf ausreichend Schlaf. Mein Mann und ich wandern sehr gerne. Es bedeutet auch mehr Zeit für uns und das tut uns gut. Dabei kann ich bestens abschalten und entspannen.
Mit wem würden Sie gerne mal essen gehen?
Bill Gates. Er ist ein toller Typ. Was er erreicht hat und wie er dennoch auf dem Boden geblieben ist, beeindruckt mich. Und sein Engagement für die Allgemeinheit – dass er den Großteil seines Vermögens einsetzt, um Dinge positiv zu verändern – finde ich bemerkenswert und inspirierend.
Frau Röhm-Kottmann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Vita:
Mariella Röhm-Kottmann ist seit 2019 Aufsichtsrätin der Zalando SE. Bei ZF in Friedrichshafen verantwortet sie seit 2016 als Senior Vice President Finance u.a. das weltweite Rechnungswesen, die globale Shared Service Center Organisation sowie das Risikomanagement – und Interne Kontrollsystem. Zuvor war sie mehr als 20 Jahre bei KPMG tätig, davon 14 Jahre als Audit Partnerin.
Die Wirtschaftsingenieurin hat am Karlsruher Institut für Technologie studiert und hat das Steuerberater- und Wirtschaftsprüferexamen abgelegt. Als Regionalvorstand steht sie der Financial Experts Association Bodenseekreis vor. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne.
Zalando ist eine der führenden Online-Plattformen für Mode und Lifestyle in Europa. Im Jahr 2008 in Berlin gegründet, bietet Zalando heute fast 49 Millionen aktiven Kund*innen in 25 Ländern Produkte aus den Bereichen Bekleidung, Schuhe, Accessoires und Kosmetik. Das Sortiment umfasst weltbekannte, internationale Marken ebenso wie lokale Labels. (Quelle: Zalando Pressemitteilung, Stand Juni 2022)
ZF ist ein weltweit aktiver Technologiekonzern und liefert Systeme für die Mobilität von Pkw, Nutzfahrzeugen und Industrietechnik. Im Jahr 2021 hat ZF mit weltweit rund 157.500 Mitarbeitern einen Umsatz von 38,3 Milliarden Euro erzielt. Das Unternehmen ist an 188 Produktionsstandorten in 31 Ländern vertreten. (Quelle ZF Press Center, Unternehmensbeschreibung)