Menschen neigen oft dazu, die Realität so zu interpretieren, dass sie in ihr persönliches Weltbild passt. Dieses Phänomen, bekannt als kognitive Dissonanz, beschreibt die mentale Anpassung unserer Wahrnehmungen, um Widersprüche auszugleichen und innere Spannungen zu überwinden. Diese Fähigkeit beeinflusst tiefgreifend unser Denken und Handeln.
Ein typisches Beispiel findet sich im beruflichen Umfeld, speziell bei der Einstellung neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das einen neuen Vertriebsleiter (w/m/d) sucht. Die Suche gestaltet sich schwierig und die ideal passende Persönlichkeit ist schwer zu finden. Die Realisierung der Umsatzziele scheint gefährdet und der Druck auf die am Auswahlprozess beteiligten Personen steigt.
In dieser Situation wird mit einem Kandidaten, der im Erstgespräch einen guten Eindruck hinterlassen hat, ein Zweitgespräch geführt. Der Personalleiter nimmt während dieses Gesprächs wahr, dass der Kandidat nicht vollkommen authentisch wirkt und ein aufgesetztes Verhalten zeigt. Normalerweise würde dies zu Vorsicht und einer Absage führen, aber der Druck, die Stelle schnell zu besetzen, aktiviert die kognitive Dissonanz.
Der Personalleiter beginnt, zunächst im Dialog mit sich selbst und dann mit den anderen Gesprächsteilnehmern, die positiven Aspekte des Kandidaten zu überhöhen und die negativen zu minimieren: „Vielleicht war der Kandidat nur nervös“, oder „Das aufgesetzte Verhalten könnte in einer entspannten Arbeitsatmosphäre verschwinden“. Diese Rationalisierungen ermöglichen, den Kandidaten in einem besseren Licht zu sehen und die Entscheidung zu treffen, dass der Kandidat eingestellt wird.
Das Beispiel zeigt, wie kognitive Dissonanz Entscheidungsprozesse beeinflusst. Unter Druck passen Menschen ihre Wahrnehmungen an, was zu einer subjektiven Realität führt und oft suboptimale berufliche Entscheidungen zur Folge hat. Dies betont die Wichtigkeit, sich kognitiver Verzerrungen bewusst zu sein.
Die Fähigkeit, Vorurteile zu erkennen und zu überwinden, ist entscheidend und wertvoll. Sie ermöglicht fundierte, objektive Entscheidungen. In der Arbeitswelt, wo oft hoher Druck herrscht, ist ein bewusster Umgang mit kognitiver Dissonanz essenziell, um Fehlentscheidungen zu vermeiden und eine Kultur der Offenheit und kritisches Denken zu fördern.
Kim Debellemanière